Von Elliot Golan
In den letzten Jahren gab es in der Immobilienbranche etliche Trendthemen. Die drei wohl wichtigsten Themen waren PropTech, die langfristigen Aussichten für gewerbliche Büroflächen und unser aller halb-definiertes Lieblingsakronym: ESG (dazu später mehr). PropTech ist kurz für „Property Technology“, zu Deutsch „Immobilientechnologie“, und ist einer der am schnellsten wachsenden Trends der Branche.
Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Laut dem PropTech Venture Capital Report 2022 des Center for Real Estate Technology & Innovation haben VC-unterstützte PropTech-Unternehmen im Jahr 2022 19,8 Milliarden US-Dollar eingenommen – 38 % weniger als 2021. Die Geldpolitik, die steigende Inflation und die steigenden Zinssätze sowie die Sorge vor einer drohenden Rezession, die die zweite Hälfte des Jahres 2022 dominierten, spielten dabei sicherlich eine große Rolle.
Der Rückgang folgt auf etwas, das man als ein über zehn Jahre andauerndes Wettrüsten bezeichnen könnte, bei dem die Investitionen kontinuierlich anstiegen, und das nicht nur geringfügig. Zahlen von Statista stellen diesen Anstieg deutlich dar. Während die Investitionen in diesem Bereich seit der Schätzung von 600 Millionen US-Dollar im Jahr 2010 stetig gestiegen sind, nahmen die Investitionen nur wenige Jahre vor der COVID-19-Pandemie wirklich Fahrt auf und erreichten eine kritische Masse. Laut Statista stiegen die Investitionen in PropTech von knapp 10 Millionen US-Dollar im Jahr 2017 auf über 15 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 an. Es versteht sich von selbst, dass ein Anstieg der Finanzinvestitionen in einen Sektor nach der Anfangszeit um mehr als 50 % eher selten ist.
Nur wenige Personen in der Immobilienbranche stehen diesen Technologieunternehmen näher und üben dort ihren Einfluss aus als Michael Beckerman, CEO von CRETech, dem größten globalen Konferenz- und Medienunternehmen im PropTech-Sektor. Er verwies auf die Herausforderungen, mit denen die Technologie im Gewerbeimmobilienbereich konfrontiert ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Übernahme einer Branche der „alten Schule“. Dennoch sieht er Licht am Ende des Tunnels.
„So schmerzhaft es für viele junge Unternehmen auch sein mag, die aktuellen Finanzierungsherausforderungen auf dem PropTech-Markt sind auch gesund und notwendig, weil sie in diesem stark fragmentierten Ökosystem unweigerlich zu einer Konsolidierung führen werden“, sagte er. „Dadurch werden zwar weniger, dafür aber größere Technologieplattformen entstehen, die aufgrund besser integrierter Lösungen, nach denen die Gewerbeimmobilienbranche seit geraumer Zeit sucht, auch zu einer stärkeren Akzeptanz führen werden.“
Grüne Lösungen
Zu einem großen Teil hängt die Dynamik der PropTech-Branche auch mit dem zuvor erwähnten Akronym zusammen: ESG. Diskussionen zu Umwelt, Sozialem und Governance bleiben in der Branche wichtige Themen, da sowohl Nutzer:innen als auch Investoren zunehmend daran interessiert sind, was Eigentümer:innen tun, um die Welt umweltfreundlicher und gerechter zu gestalten.
Das ist ohne Frage eine gute Sache. Aber ganz so einfach ist die Situation auch wieder nicht.
Karen Whitt, U.S. President von Colliers Real Estate Management Services, sagte uns, dass ESG oft mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist.
„Für große Unternehmen ist das kein Problem. Die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und Richtlinien zu erstellen, ist in der Regel bereits in der Belegschaft vorhanden, und wenn nicht, ist es einfach, entsprechendes Personal einzustellen“, sagte sie. „Kleine Unternehmen, die sich bereits durch die widrigen wirtschaftlichen Bedingungen unter Druck gesetzt fühlen, werden allerdings deutlich größere Probleme damit haben, Agenturen und Kunden zufrieden zu stellen. Das bedeutet nicht das Ende für kleine und hyperlokale Unternehmen, aber für viele wird es eine abschreckende Wirkung haben.“
Tatsächlich beschäftigt sich die Gewerbeimmobilienbranche schon seit Jahren mit „grüner Energie“. Bereits Anfang der 1990er Jahre gab es in den USA „LEED“ (Leadership in Energy and Environmental Design) genannte Standards, ein Programm, das vom U.S. Green Building Council stammt. In bestimmten Städten, darunter Seattle und San Francisco als Paradebeispiele, ist die LEED-Zertifizierung keine große Sache, noch nicht einmal erwähnenswert. Ganz im Gegenteil macht es eher Schlagzeilen, wenn ein Gebäude nicht entsprechend zertifiziert ist.
Beckerman sieht diesen Teil der Immobilien- und PropTech-Branche als den ausgereiftesten und am meisten benötigten Teil an.
„Gewerbeimmobilien sind als Branche weltweit die größte Quelle von Treibhausgasemissionen, und einigen Schätzungen zufolge wird die Dekarbonisierung des Sektors 20 Billionen US-Dollar kosten“, sagte er. „Die Klimakrise stellt gleichzeitig die größte Bedrohung und die größte Chance dar, mit der die Immobilienbranche jemals konfrontiert war. Allerdings stellt sie vielleicht auch die größte Chance zur Vermögensbildung in der Geschichte dar. Die Immobilienunternehmen, Start-ups und Venture-Firmen, die sich dieser Herausforderung stellen, werden einen außerordentlichen finanziellen Nutzen daraus ziehen.“
Vieles davon dürfte jedoch bei Immobilien der Spitzenklasse zu finden sein, wo Budgets weniger eine Rolle spielen, so Whitt.
„Bei weniger gut bewerteten Immobilien sind in der Regel auch die Budgets und Margen klein“, erklärt sie. „Allein die Kosten für die Quantifizierung der ESG-Auswirkungen werden auf die Eigentümer:innen in diesem Bereich übergroße Auswirkungen haben, während Kapitalinvestitionen in Faktoren, die nicht den Markterwartungen entsprechen, erhebliche langfristige Auswirkungen auf ihre Rentabilität haben könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass Mieter:innen möglicherweise vor Gebäuden zurückschrecken, für die keine positiven ESG-Ergebnisse vorliegen, was den Cashflow reduziert.“
Das schwierige Umfeld für die Mittelbeschaffung wird zu einem offensichtlichen Ergebnis führen: Die Elite wird an die Spitze gelangen. Aus diesem Grund werden PropTech-Firmen, die so überzeugende Lösungen anbieten, dass die Branche trotz des aktuellen Wirtschaftsklimas nicht vorsichtig und sparsam bleiben kann, eine echte und dauerhafte Wirkung erzielen. Und da ist es wieder, dieses Wort, das die frühen 2000er Jahre dominierte, heute aber normalerweise ein Schmunzeln oder Augenrollen hervorruft: Disruption.
Elliot Golan ist Senior Vice President und Senior Leader des Immobilienzweigs von Allison+Partners und beobachtet die Branche schon seit über zehn Jahren. Bevor er zur Agentur kam, leitete er die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation bei einem börsennotierten globalen Immobiliendienstleistungsunternehmen und fungierte als Managing Editor von Bisnow, einer der größten Immobiliennachrichten- und Veranstaltungsplattformen des Landes.